300 Jahre De chli Jogg
Ackerbau und Viehwirtschaft
De chli Jogg (1716-1785)
Seit dem Mittelalter ist das Unterland die Kornkammer Zürichs. Besonders in Krisenzeiten wurden immer wieder Anstrengungen gemacht, die Landwirtschaft des flachen und fruchtbaren Unterlandes zu rationalisieren. Der berühmte Bauer Jakob Guyer, genannt Kleinjogg, vertrat dieses Anliegen bereits im 18. Jahrhundert.
Der innovative Bauer [1]
Kleinjogg brachte den Lehenshof in der Chatzenrüti mitten in der mittelalterlichen Ackerwirtschaft mit neuen Methoden zu erstaunlichen Erträgen. Er vergrösserte und verbesserte die Wiesen und konnte so mehr Vieh ernähren. Durch Stallhaltung und grösseren Viehbestand gewann er mehr Hofdünger (Mist und Gülle). Mit diesem Nährstoffgewinn, durch Bodenverbesserungen und durch den Anbau von Klee konnte er die Brache abschaffen und mehr Nahrungsmittel produzieren. Er erkannte früh den Wert der Kartoffel und förderte deren Anbau stark.
Festgefahrene Landwirtschaft [2]
Die dörfliche Gemeinschaft und die Grundherren regelten seit dem frühen Mittelalter die Landwirtschaft mit dem Flurzwang. Dabei wurde alles ackerfähige Land in drei Teile (Zelgen) eingeteilt. Auf dem ersten und dem zweiten Teil wurde Getreide angebaut. Der dritte Teil blieb unbebaut (Brache) und wurde vom Vieh der Dorfgemeinschaft beweidet. Zusätzlich diente die Allmende (gemeinsam genutzte Riede und Wald) als Viehweide. Jedes Jahr wechselte die Bewirtschaftung der drei Teile. Wege gab es kaum in den drei Teilen, deshalb erfolgte die Bewirtschaftung gemeinsam. Individuelle Neuerungen waren kaum möglich, die Böden waren ausgezehrt. Hofdünger war Mangelware, da die Bauern wenig Grünland hatten und deshalb auch wenig Vieh hielten.
Landwirtschaftliche Versuche statt fremder Dienste
Kleinjogg war das fünfte von sieben Kindern und konnte den stattlichen Hof seines Vaters (über 50 Hektaren) in Wermatswil zusammen mit nur einem Bruder bewirtschaften, weil einer seiner Brüder starb, ein anderer in fremden Kriegsdienst zog und die restlichen Geschwister ausbezahlt werden konnten. So konnte er sich bescheidene landwirtschaftiche Versuche leisten. Jedoch erst durch die Pacht des Chatzenrütihofs von der Stadt Zürich, welcher nicht einer dörflichen Gemeinschaft angehörte, konnte er seine Ideen und Methoden umsetzen.
Der philosophische Bauer im Interesse der Gelehrten [1]
Kleinjoggs Neuerungen stiessen bei der Physikalischen Gesellschaft in Zürich auf offene Ohren, da die Stadt Zürich ein beträchtliches Nahrungsmitteldefizit hatte. Durch die Publikation „Die Wirthschaft eines philosophischen Bauers“ von Stadtarzt Hirzel bekam Kleinjogg bereits zu Lebzeiten viel Lob und Besuche von Lavater, Goethe, Rousseau, Mirabeau, Pestalozzi u.v.m.
Probleme bei der Umsetzung [2]
Trotz grossen Bemühungen gelang es Kleinjogg und seinen städtischen Bewunderern nicht, mit ihren Erkenntnissen die fehlenden Nahrungsmittel für die wachsende Bevölkerung in der Zürcher Landschaft anzubauen. Während sich einige Errungenschaften, wie der Klee- und Kartoffelanbau und die verbesserte Viehwirtschaft im 19. Jahrhundert langsam durchsetzten, blieben die strukturellen Probleme der kleinflächigen Felder und Höfe, der mangelhaften Erschliessung und zu hohen Getreideanbauflächen noch vielerorts bis ins 20. Jahrhundert bestehen.
Schlagartiger Wandel im 20. Jahrhundert [2]
Mit der von Traugott Wahlen inizierten „Anbauschlacht“ aufgrund der Nahrungsmittelverknappung während des II. Weltkrieges setzte sich Kleinjoggs Gedankengut durch. Gesamtmeliorationen kombiniert mit Güterzusammenlegungen und Erschliessungen wurden angegangen. Die gleichzeitig starke Mechanisierung und die aufkommenden mineralischen Dünger brachten einen derart abrupten Wandel, dass die seit langer Zeit kulturbedingte Lebensraumvielfalt nun schlagartig zerstört wurde. Das Kreislaufdenken Kleinjoggs ist durch die mineralischen Dünger weitgehend abhanden gekommen. Anstelle seiner Wiesen wird heute ein Viertel der Landwirtschaftsfläche für Futtermais gebraucht. Trotz allen Bemühungen kann der Kanton Zürich die benötigten Nahrungsmittel bei weitem nicht produzieren.
Moderne Kartoffelgeschichten aus Chatzenrüti [3]
Eigenartigerweise begann die Schweizer Erfolgsstory der Zweifel-Kartoffelchips ebenfalls in diesem Weiler. Hans Meier, Onkel 2. Grades des bekannten Chips-Unternehmers Hansheinrich Zweifel, stellte hier die ersten Chips der Schweiz her. Zweifel übernahm die Produktion und gründete später die Zweifel Pomy-Chips AG. Und die Beiden sind mit Kleinjogg verwandt!
Literatur und Quellen
[1]Pfister, H. U., Sigg, O.: Lob der Tüchtigkeit, Kleinjogg und die Zürcher Landwirtschaft am Vorabend des Industriezeitalters. Zum zweihundersten Todesjahr Kleinjogg Gujers (1716-1785). Eine Publikation des Staatsarchivs Zürich. Orell Füssli AG, Zürich 1985.
[2]Ewald, K. C.: Schlaglichter auf 250 Jahre Wandel der Kulturlandschaft im Kanton Zürich. – Publiziert in: Mensch und Natur, Festschrift zur 250-Jahr-Feier der Naturforschenden Gesellschaft Zürich 1746-1996. KOPRINT AG, Alpnach Dorf, 1996, S.176 ff.
[3]Persönliche Mitteilung von Hansheinrich Zweifel. Nachzulesen in: Hämmig, C.: Chips Geschichten von Hansheinrich Zweifel. Anekdoten und Geschichten aus dem Leben des Mitbegründers und Pioniers der Zweifel Pomy-Chips AG. Werd Verlag, 2007.